Ich wollte Nepal besuchen, um die Projekte von hamromaya Nepal e.V. vor Ort zu sehen und die Beteiligten kennenzulernen, solange Khai-Thai, der Gründer der Organisation, noch dort war.
Samstag, der 25. April, war ein wenig bewölkt und kälter als die Tage vorher. Ich war erst drei Tage zuvor in Kathmandu angekommen und war noch dabei, mich an das Klima zu gewöhnen. An diesem Tag ging es um die Fotos der Kinder im Waisenhaus Buddhist Child Home für eine neue Spendenaktion. Wir gingen zuerst zum Bhat Bhateni Einkaufszentrum, um einige Utensilien für das Foto-Shooting zu besorgen, wie Geschenkpapier und Gesellschaftsspiele für die Kinder. Wir haben uns dann mit Prince getroffen, ein junger Student und lokaler Fotograf, der die Bilder aufnehmen sollte. Wir nahmen ein Taxi zum Waisenhaus und die Kinder haben uns so herzlich empfangen wie immer.
Es schien ein wirklich guter Tag zu werden. Zunächst setzten wir uns in den Hof und verpackten die Spiele als Geschenke für einige der Fotos. Danach gingen die anderen ins Haus, um ein paar Fotos zu machen und ich blieb draußen, um auf die Geschenke aufzupassen. Es war still und in diesem Moment dachte ich wirklich, was für ein friedlicher und schöner Tag es war.
Und dann kam die unerwartete und unvergessliche Wendung. Plötzlich war da dieser Erdstoß, als ob ein Auto oder ein LKW gegen die Hofmauer geknallt wäre. Als ich versuchte, mich umzusehen, bebte der Boden unter mir weiter. Es wurde immer stärker und stärker und ich erkannte, dass es ein Erdbeben sein musste. Ich habe versucht, einen festen Stand beizubehalten, ständig auf das Haus schauend, um zu sehen, wo jeder war. Das Haus sah stabil aus. Dann kamen sie einer nach dem anderen raus. Für ein paar Sekunden jubelten einige der Kinder auf dem Balkon auf dem Weg nach unten. Ich machte Handzeichen, dass sie runter kommen sollten. Sie taten es, als sie merkten, dass dies nicht nur ein kurzes, sondern ein sehr langes und starkes Erdbeben war.
Nach einiger Zeit waren alle aus dem Haus und wir hielten uns alle an der Hofmauer und am Tor fest in dem Bestreben, unsere Füße auf dem Boden zu halten. Wie lange es dauerte, weiß ich nicht. Es fühlte sich an wie eine Ewigkeit. Dann war das Beben erst einmal vorüber.
Wir gingen alle zu einem nahe gelegenen Feld, in dem sich auch Menschen aus der Nachbarschaft versammelten, weg von jedem Gebäude. Viele der Kinder waren sehr erschrocken, vor allem die Kleinsten. Wir waren dort für ein paar Stunden. Es gab einen Schuppen mit einer Blechwand, die immer laut ratterte wenn es ein Nachbeben gab, worauf viele der Menschen erschrocken aufschrien. Aber wir waren sicher. Die Menschen um uns herum waren sicher. Ich kannte noch nicht die wirkliche Dimension des Erdbebens, noch was für Auswirkungen es haben würde. Aber dann bekam ich eine SMS auf mein Handy. Sie war von meiner Mutter aus Deutschland, die sagte, dass sie es in den Nachrichten sah und fragte, ob ich in Ordnung war. Das war zwei Stunden nach dem Erdbeben und ein deutliches Anzeichen für das Ausmaß dieser Naturkatastrophe.
Wir gingen dann gegen Abend zurück zu unserem Hostel – zu Fuß – denn es fuhren kaum Busse. Viele Läden waren auch schon geschlossen. Die Straßen waren voller Menschen. Sie hatten Angst, in ihre Häuser zurückzukehren. Auf dem Weg sahen wir auch einige beschädigte Gebäude, zusammengebrochene Mauern, Menschen, die außerhalb eines überfüllten Krankenhauses behandelt wurden, einen Park, wo sich Menschen versammelten, sich darauf vorbereiteten, die Nacht dort zu verbringen. Wir taten es auch. Jeder tat es.
Nach einem schnellen Abendessen in unserem Hostel, das intakt war, haben wir die wichtigsten Sachen eingepackt und gingen zu einem nahe gelegenen Park, um die Nacht dort zu verbringen. Wir hatten kein Zelt und als es zu regnen begann, gingen wir mitten in der Nacht zurück zum Hostel. Es gab einige starke und lange Nachbeben in dieser Nacht.
Am nächsten Tag gingen wir durch die Stadt. Es gab noch ein weiteres starkes Nachbeben und man konnte sehen, wie der Boden eine Welle machte. Wir gingen dann durch die Altstadt und den Durbar Square, wo einige der UNESCO Weltkulturerbe in Trümmern lagen. In Parks und anderen Freiflächen überall in der Stadt haben tausende Menschen ihre Quartiere für die kommenden Tage und Nächte aufgebaut. Wir haben auch wieder draußen übernachtet, diesmal in einer nahe gelegenen Schule.
Am zweiten Tag nach dem Erdbeben hatten wir dann wieder Internet. In den Nachrichten stieg die Zahl der Opfer Tag um Tag. Die Bilder der Zerstörung waren erschreckend. Doch mit der Zeit wurde mir klar, dass der Wille und die Solidartät der Nepalesen ungebrochen sind. Das wurde mir vor allem an Buddhas Geburtstag klar, einem großen Feiertag neunTage nach dem Erdbeben, zu dem die Menschen die Tempelstätten besuchen, beten, Kerzen anzünden.
Das ist ein Land, reich an guten Menschen, Natur und Kultur, die es wiederaufzubauen gilt. Dazu sind sie nun auf Hilfe von außen angewiesen.
- Lernt Ivan doch etwas genauer kennen. Hier stellt er sich vor.
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