Wie ich den Tag des Erdbebens am 25. April erlebt habe
Ich war gemeinsam mit Khai, Ivan und einem Fotografen im Waisenhaus Buddhist Child Home, weil wir mit den Kindern dort ein Fotoshooting für eine Kampagne der EthikBank durchführen wollten. Das Shooting mit einem Kind war gerade beendet, ein anderes Kind hat sich vorbereitet und wir waren gerade im 1. Stock um weitere Kinder für Fotos zu finden – nicht ganz einfach, denn die Kinder schauten gerade einen Film und haben sich nicht so recht für uns interessiert.
Ich hatte mir gerade die Schuhe ausgezogen und war in den Raum hineingegangen als plötzlich der Fußboden zu zittern begann. Nach wenigen Sekunden rief ein Kind, ich soll mitkommen, die ersten liefen bereits die Treppe hinunter und meine Füße übernahmen reflexartig das Kommando und liefen hinterher. Besser gesagt, ich schwankte und stolperte hinterher, denn mittlerweile war das Beben so stark, dass ich mich kaum auf den Beinen halten konnte, das Haus ächzte und klapperte.
Es ging so schnell, dass ich nicht einmal erschrocken war, obwohl ich noch nie ein Erdbeben erlebt hatte. In den Wochen davor hatte ich nie daran gedacht, aber ich wusste, dass am Himalaya Erdbeben vorkommen. Als es anfing, dachte ich nur: Aha, das ist jetzt also ein Erdbeben. Besser raus hier, wer weiß wie stabil das Haus ist.
Erst draußen fing ich wieder an, bewusst zu agieren. Ich öffnete das Tor, sah eine nahe Wiese und bedeutete den Kindern dorthin zu gehen und Abstand von Häusern und Stromleitungen zu halten. In unmittelbarer Nähe fielen mir erste Schäden auf: Eine Mauer, die ein Feld begrenzt hatte, war umgekippt und bei kleineren Gebäuden waren Wellblechdächer eingesackt. Unsere Freundin Tess, die das Beben in einem Bus auf dem Weg zu uns erlebt hatte, traf kurze Zeit später ein. Gemeinsam mit den Kindern, die zum Glück alle unversehrt waren, blieben wir zunächst auf der Wiese, vorerst in Sicherheit, und versuchten die Kinder zu beruhigen.
Als nach ca. 2 Stunden die Nachbeben schwächer wurden und schließlich vorübergehend ganz aufhörten, machten wir uns zu Fuß auf den Weg zurück zu unserer Unterkunft. Dabei sahen wir überwiegend kleinere Schäden, aber auch ein größeres modernes Haus, das eingestürzt war. In unserem Viertel verkaufte mir der Wirt meines kleinen Stammlokals noch eine Portion Momos, bevor er seine Küche abbaute und zusammen mit seiner Familie in einen gegenüberliegenden Schulhof brachte – wie viele andere Menschen bereiteten sie sich aus Angst vor größeren Nachbeben auf die erste einer Reihe von Nächten im Freien vor.
Am Abend, als auch ich auf einer großen Wiese im Schlafsack lag, empfand ich den vergangenen Tag als zerrissen.
Der Morgen war so ruhig gewesen, wir waren noch im Supermarkt um Spiele für die Kinder zu kaufen und hatten dabei rumgeblödelt. Auch das Fotoshooting war von ausgelassener Stimmung geprägt gewesen. All das war innerhalb einer guten Minute wie weggeblasen worden und erschien mir nun sehr weit weg.
- Lernt Julian doch etwas genauer kennen. Hier stellt er sich vor.
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