Als sich das erste Erdbeben ereignete, saß ich in einem Bus und fuhr gerade über eine Brücke. Ich war auf dem Weg ins Buddhist Child Home gewesen, um mich mit Khai, Ivan und Julian zu treffen. Da ich alleine gewesen war, war ich also ziemlich verängstigt. Besonders als ich glaubte, dass die Brücke einstürzen würde!! Glücklicherweise traf dies nicht ein und alle stiegen unversehrt aus dem Bus aus. Gott sei Dank!!
Unmittelbar nach dem heftigen Beben stand ich unter Schock. Ich wollte nur so schnell wie möglich meine Freunde sehen. Daher sind meine Erinnerungen schwammig. Ich erinnere mich, dass alle auf die Straßen rannten. Die meisten Gebäude in der Gegend schienen aber noch intakt. Hier und da gab es umgefallene Ziegelmauern. Ich lief aber auch an verletzten Menschen vorbei, die zum Zeitpunkt des Bebens von ihren Motorrädern fielen. Ich war so erleichtert, als ich das Waisenhaus erreichte und die bekannten Gesichter sah!!
Wegen der starken Nachbeben schliefen wir die nächsten drei Nächte im Freien. Wir waren nicht wirklich gut vorbereitet gewesen und wurden vom Regen an zwei der drei Nächte böse überrascht… Der Strom kam nach wenigen Tagen wieder zurück, doch wir hatten immer noch kein fließendes Wasser im Hostel. Zumindest konnten wir uns problemlos mit Nahrung und Trinkwasser bevorraten. Mir wurde in der australischen Botschaft eine warme Dusche angeboten – ein Segen nach drei Tagen, in denen ich mich extrem mitgenommen fühlte. Die Dusche war ein tolles Gefühl!
In der Woche nach dem Beben verbrachte ich die meiste Zeit in Schulen und Waisenhäusern, aber auch in dem Krankenhaus, in dem ich die vergangenen Wochen arbeitete. Kathmandu war vergleichsweise völlig ruhig. Viele Menschen – einheimische und ausländische – verließen die Hauptstadt so schnell sie nur konnten. Im Laufe der Woche öffneten mehr und mehr Läden. Der öffentliche Nahverkehr begann wieder zu rollen. Gott sei Dank fuhren die Busse wieder, da meine Füße nach all dem Laufen extrem schmerzten!
Was ich am schlimmsten empfand, waren die ständigen Nachbeben und einige von ihnen waren wirklich stark! Dies hatte zur Folge, dass niemand sich entspannen konnte. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie traumatisierend es für die Menschen in Nepal gewesen sein musste, als das zweite Beben am 12. Mai 2015 die Erde wieder zum erschüttern brachte – genau zum Zeitpunkt, als sich jeder wieder sicherer fühlte!
Ich hatte das Glück, dass ich mit einem der nepalesischen Physiotherapeuten einige Tage gemeinsam ins Krankenhaus gehen konnte, um Verletzte zu behandeln. So fühlte ich mich nicht vollkommen nutzlos. Es war ein gutes Gefühl, gerade in dieser furchtbaren Zeit gebraucht zu werden und helfen zu können.
Mein eigentlicher Rückflug nach Australien war drei Wochen nach dem Erdbeben. Zu Beginn wollte ich meinen Nepal-Aufenthalt nicht vorzeitig abbrechen. Die Situation im Hostel schien unter Kontrolle – Nahrung und Trinkwasser waren genügend vorhanden. Das Leben in den Straßen begann sich allmählich wieder zu normalisieren. Dennoch erklärte mir die australische Botschaft, dass sie alle australischen Staatsbürger evakuieren wolle. Am Ende änderte ich doch noch meinen Rückflug und flog zwei Wochen eher als ursprünglich geplant zurück – eine große Erleichterung für meine Familie und Freunde in Australien. Nach einer sehr emotionalen letzten Woche in Nepal, kehrte ich unversehrt nach Melbourne zurück.
Nepal ist immer in meinen Gedanken und ich kann es kaum erwarten wieder dort zu sein! Hoffentlich sehr, sehr bald!!
- Tess ist eine sehr engagierte Volontärin aus Australien, die mit unserer Partner-Organisation Nepali Host Family nach Nepal kam. Sie arbeitete ehrenamtlich als Physiotherapeutin in einem kleinen Krankenhaus in Kathmandu.
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